Die "Pestsäule" in Marktschellenberg

September 2018

Im Berchtesgadener Land stößt man immer wieder auf Steinmarterl aus längst vergangener Zeit. Die ältesten reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Da diese Bildstöcke nicht von der Kirche, sondern von Untertanen gestiftet worden sind, können sie als die ersten christlichen Denkmäler angesehen werden, die vom Volk stammen. 

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Solch eine Säule befindet sich auch neben der Kirche St. Nikolaus in Marktschellenberg. Sie trägt die Jahreszahl 1626 und wird als Pestsäule bezeichnet. Ursprünglich stand sie in der Nähe des Mauthauses, welches mit dem Schellenberger Turm verbunden war. 1625 wütete in Salzburg die Pest und zur Abwehr der Seuche könnte die Säule an der Grenze aufgestellt worden sein.

Das Kapellenhäuschen besitzt keine Nische. Sie ist aus rotem Marmor, ruht auf einer Säule aus hellem Marmor, an deren oberem Ende sich an allen vier Seiten die gleiche ornamentale Verzierung befindet. Die unterschiedlichen Marmorarten lassen vermuten, dass die Säule schon einmal erneuert worden ist. An drei Seiten sind Reliefs angebracht: Nordseite: Kreuztragung; Westseite: Kreuzigung und an der Südseite eine Pieta.

Von der Inschrift auf der Ostseite konnte bisher nur die Jahreszahl und der Name der Stifterin „Katharina Weissin, geb. Zimmermannin“ entziffert werden. Mit Fotos gelang es, den Text vollständig wie folgt zu entschlüsseln:

„In immerwährenden Gedächtnis des Jammer über Leiden und
Sterben Jesu Christi hat Katharina Weissin geb Zimmermannin diese Säule aufrichten lassen. 1626.“
Renov. 1855             Renov. 1963

Über Katharina Weiss war bisher nichts bekannt. Auch im umfangreichen Biographischen Lexikon des Berchtesgadener Landes von Dr. Ambronn ist ihr kein eigener Beitrag gewidmet. Jedoch kann man sie dort als Ehefrau des Schellenberger Hällingers und Marktrichters Andreas Weiss finden. Wie aus einem Briefwechsel während des tatsächlichen Pesteinfalls von 1634 hervorgeht, war der Hällinger für alle Maßnahmen gegen den schwarzen Tod in Schellenberg verantwortlich. Damals gab es mehrere Pest-Tote und Andreas Weiss wurde dafür streng gemaßregelt. Dieses wäre ein weiterer Grund, dass seine Ehefrau die Säule tatsächlich aus Furcht und zur vorbeugenden Abwehr eines Übergreifens der Pest an die Grenze setzen ließ.

Alfred Spiegel-Schmidt