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Gerstenstampfe im Schwarzwald

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Ein geheimnisvoller Stein im Kreuzgang

März 2018

Begibt man sich beim Eingang im Kreuzgang Berchtesgaden gleich nach rechts, fällt sogleich ein massiger grauer Quader auf mit eigenartigen vier gleichgroßen kreisrunden konisch zulaufenden Vertiefungen an der Längsseite.

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Stein im Kreuzgang

Unterschiedliche Deutungsversuche gab es dazu: ein Weihestein – wäre passend für den Platz in einem Kreuzgang – oder ein Stein als Maßeinheit für Waren oder gar eine Abort-Reihe wurden vorgeschlagen. Ob Kunsthistoriker, Volkskundler oder Heimkatkundler – eine letztendlich schlüssige Antwort wurde nicht gefunden.  Es war schließlich eine Touristin, die die Lösung dieses Rätsels lieferte.

In ihrem Dorf im Schwarzwald nämlich steht in einem alten Hof ein solcher Stein als Teil einer so genannten Gerstenstampfe aus dem 19.Jahrhundert. Man muss ihn sich um 90 Grad gedreht vorstellen mit den vier Öffnungen nach oben, befestigt durch die lange Kerbe an der Rückseite. In diese Mulden wurde die Gerste gefüllt. Von Wasserkraft angetriebene Holzstößel quetschen das Korn und trennten es von seiner Hülse. Damit entstand ein Produkt, das heute als Graupen oder Rollgerste bekannt ist. Es wurde vor allem als „Morgenessen“ in Form von Brot oder Suppe verzehrt. Vergleichbar dem in angelsächsischen Ländern beheimateten Porridge aus Haferflocken. Graupen werden in slawischen Ländern auch als Ersatz für Reis verwendet. Auch die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berühmt gewordene Rumfordsuppe (siehe Wikipedia) kommt nicht ohne Graupen oder Rollgerste aus.

Fotos: oben: privat
Bildleiste rechts: Associazione dell'Antico Mulino del Precassino