Villa Bayer und der erste Tanker der Welt

Juli 2021

Was verbindet das erste Tankschiff und den Mitbegründer der Firma Esso mit Berchtesgaden?
In der "Geschichte von Berchtesgaden" ist Wilhelm Anton von Riedemann nur nebenbei als Villenbesitzer erwähnt. Er ließ den ersten Tankdampfer der Welt bauen.

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Das erste als Tanker gebaute Schiff der Welt hieß „Glückauf“ und wurde 1886 in Dienst gestellt. Der Erbauer war Wilhelm Anton von Riedemann (1832 – 1920), der in der Geschichte von Berchtesgaden nur nebenbei als Villenbesitzer erwähnt ist. Bei genauerem Hinsehen entpuppt er sich jedoch als einer der bedeutendsten Unternehmer seiner Zeit und es lohnt, sich näher mit ihm zu befassen.

Er stammte aus einer verarmten Familie, machte eine Lehre als Kaufmann, gründete 1863 in Bremen ein Speditionsgeschäft, lernte dabei die Bremer Ölkaufleute Franz und Carl Schütte kennen und trat als Spediteur ins Ölgeschäft ein. Zudem gründete er eine Reederei, baute 1877 den Hafen in Geestemünde aus und beteiligte sich am Ausbau des Hamburger Petroleumhafens.

Da beim Öltransport in Holzfässern große Verluste entstanden, ließ er 1885 das Segelschiff „Andromeda“ zum ersten Tanksegler um- und in England den ersten Tankdampfer der Welt bauen. Dieser konnte 3000 Tonnen Öl fassen und trat 1886 seine erste Fahrt von Hamburg nach Amerika an. Es folgten Tankwaggons und Tank-Binnenschiffe. Dank dieser schnellen Versandmöglichkeiten stieg Bremen zum führenden Öl-Importplatz Europas auf. Riedemann gab 1887 die Spedition auf und stieg mit 50 Prozent bei der Fa. Schütte & Sohn ein.

1890 gründete er mit Franz und Carl Schütte und der Standard Oil Company (SO) des amerikanischen Milliardärs John D. Rockefeller die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft (1950 in ESSO umbenannt, heutiger Name EXXON) mit Sitz in Bremen. 1904 erlangten die Amerikaner die Oberhand an der Gesellschaft und verlegten sie nach Hamburg.

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Die Firmen, an denen Riedemann beteiligt war, verfügten 1914 über die größte Tankerflotte der Welt.

In bester Lage von Hamburg erwarb er an der Alster ein Haus, heute Sitz des amerikanischen Generalkonsulats. Ferner stiftete er u.a. die Hamburger St. Sophienkirche, die als Patrozinium, den Namen seiner Frau erhielt. Als Dank für großzügige Spenden und Unterstützungen erhielt er zahlreiche Ehrungen: 1885 Kommerzienrat; 1917 geadelt; Ehrenbürger von Meppen und Haselünne (sein und seiner Frau Geburtsorte); Straßennamen in: Bremen, Bremerhaven, Berlin und Meppen, dort auch Gedenktafel.

Als bekennender Katholik fühlte er sich im protestantischen Hamburg nicht so wohl. Deshalb übersiedelte er 1917 in die Schweiz. In Bern ansässig, erwarb er in Berchtesgaden noch im gleichen Jahr 1917 die Villa Bayer, die heute die Polizeiinspektion beherbergt. Riedemann starb im Jahr 1920 in Lugano. Sein Sohn, Heinrich von Riedemann (1871 – 1959), ebenfalls geadelt und im Ölgeschäft tätig, übernahm nach ihm das Anwesen, das 1939 an die Berchtesgadener Reichsbehörden verkauft wurde.

Alfred Spiegel-Schmidt


Quellen:
* Geschichte von Berchtesgaden, Bd. III/1, S. 183;
* Wikipedia: Wilhelm Anton Riedemann;
* Neue Deutsche Biographie, Bd. 21, S. 568 ff.
* Polizeiinspektion Berchtesgaden: Festschrift zur Einweihung des neuen Dienstgebäudes, 1987

Abbildungen: freie Bilder Wikipedia