Die Allerseelenkapelle

November 2020

Die ehemalige Armeseelen-Kapelle -  in heutiger Zeit  würde man sie wohl zu den "lost places"  in Berchtesgaden zählen wollen -  befindet sich ziemlich genau unter der südlichen Apsis des Altarraumes der Berchtesgadener Pfarrkirche, und ist wohl auch um einiges älter als diese.  Man geht von einer  Erstehungszeit gleichzeitig mit der einst darüber befindlichen  Anna-Kapelle um 1358 aus.

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Es handelt sich um einen Raum  sechs Meter lang, 4 Meter breit  und drei Meter hoch - nach oben durch ein Tonnengewölbe  vom Boden der Pfarrkirche geschieden.  Somit haben wir hier also einen Raum mit ca 24 Quadratmetern Grundfläche.  Im  Buch "Berchtesgaden im Wandel der Zeit" von 1929 findet sich dazu folgender Absatz:  >> Die Armenseelen-Kapelle oder  - Gruft  in einem kellerartigen Bau der Pfarrkirche. Man steigt auf steinernen Stufen hinunter in den düsteren Raum, der mit einem Altar geschmückt ist und in dem früher gelegentlich  Totenmessen abgehalten wurden. Die Armenseelen-Kapelle stammt noch aus der Zeit, als der Friedhof um die Pfarrkirche lag. In ihr werden ausgegrabene  Totenschädel, die mitunter auch bemalt sind, in offenen Wandgestellen aufbewahrt.  <<Zitat Ende>>  Bei Prälat Dr. Brugger finden sich dazu im Rahmen seiner Forschungen zur Geschichte der Pfarrkiche auch noch folgende Aufzeichnungen, die dankenswerterweise  der Pfarrarchivar von St. Andreas zur Verfügung gestellt hat:  

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In dem besagten "Totenkammerl" hingen einst Schreckbildnisse, Holztafeln auf denen die Leiden der im Fegfeuer Brennenden dargestellt waren. All diese Eindrücke in dem schwach erleuchteten Raum mahnten die Besucher durch Spenden und das Lesenlassen von Messen die Qualen ihrer Verstorbenen zu verkürzen. Vereinzelt fanden solche Messen in der Armeseelenkapelle selbst statt vor einem an der Westwand aufgerichteten Altar, der heute dort auch nicht mehr steht.  In 1.80 m hohen Wandgestellen standen schwarze Holzkästchen, auf ihrer Vorderseite teils offen, teils mit einem Glasfensterchen versehen. An dem oberen Stirnbrettchen waren Namen und Lebensdaten mit weißer Farbe aufgemalt.  In den 1920ger Jahren wurden die Holzregale durch kleine gemauerte Nischen, in denen die Totenköpfe Aufnahme fanden, ersetzt. Damals beherbergte das Gewölbe noch etwas über 60 Schädel, sie stammten aus dem einstigen Andreasfriedhof. Dass die Totenköpfe, bis in unser Jahrhundert, zuweilen zu abergläubigen Heilversuchen benutzt wurden, sei nur nebenbei erwähnt. Anlässlich der Kirchen-Renovierung 1954/55 wurden 1954 die Schädel, etwa noch 40 an der Zahl, an der südlichen Stirnseite des Friedhofes am Anger, nach nochmaliger Aussegnung, wieder der Erde zurückgegeben. Nach 50 jährigem Bestand ist der kirchliche Kult des Totenkammerls im Berchtesgadener Land erloschen.  Anmerkung: Allerdings  scheinen in späteren Jahren nochmals, vermutlich bei   Erdarbeiten  im Bereich des ehemaligen Andreas-Friedhofs, Totenschädel gefunden worden zu sein, die dann noch einige Jahre - bis weit in die 60er  Jahre des vorigen Jahrhunderts dort in den gemauerten Nischen von aussen durch das  Fenster für Kinder gruselig anzusehen, untergebracht waren.

Hans Lackner

Bildnachweis:
oben Hans Lackner,
unten "Berchtesgaden im Wandel der Zeit", Band 1