Tratten - Lieferanten für Holz und Laub

September 2021

Man schätzt, dass dieser Bergahorn an der Alpenstraße oberhalb von Ramsau 250 bis 300 Jahre alt war, bevor er vor ein paar Jahren gefällt wurde. Er brachte einen Umfang von stolzen 6,04 Metern zustande und war somit der Bergahorn mit dem zweitdicksten Stamm Deutschlands. Sein leicht gedrehter Stamm und die knorrigen Äste gaben ihm ein ganz markantes Aussehen.

Bergahorn-Ramsau-kl.jpg

Dass er bis vor ein paar Jahren noch stand, hat er einer Besonderheit der bäuerlichen Kultur zu verdanken, nämlich den sogenannten Tratten. Dies ist eine besondere Weideform die es in dieser Art nur im Berchtesgadener Raum gibt. Jene besagten Weiden waren früher in landesherrlichem Besitz und gewährleisteten zwischen den Höfen und Weilern eine öffentliche Wegverbindung. Doch auch für die Bauern hatten sie eine wichtige Aufgabe. Zwar war es nicht ihr Grund, trotzdem durften sie dort ihr Vieh vor und nach dem Almabtrieb weiden lassen. Außerdem hatten sie das Recht, in den Tratten zu schwenden, das heißt, den Jungwuchs an Bäumen zu beseitigen, damit die Weide nicht zuwuchs. Da die Bauern auch am Laub der Bäume interessiert waren, ließen sie in aller Regel ein paar Bäume auf den Tratten im lockeren Verband stehen. So auch jenen Bergahorn mit dem  dicken Stamm. Gerne wurde der Bergahorn in den Tratten gepflanzt weil er guten Nutzen versprach. Sein Holz wurde für das heimische Holzhandwerk gebraucht, aber vor allem wurde das Laub als kostenloser Strohersatz in die Ställe eingestreut. Noch heute sieht man im Berchtesgadener Talkessel viele dieser Baumgruppen und immer noch wird das Laub für den Winter zusammengerecht. In großen Laubtüchern bringt man es dann heim in den Stall. Die Bäume bieten einen wertvollen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Besonders schön sind sie im Herbst, wenn ihre Laubfärbung bunte Tupfer in die Landschaft zaubert. Es waren die Menschen damals, die mit ihrer Arbeit das typische Landschaftsbild von heute schufen. Dass die heutigen Menschen ihn einfach fällten, das mag jeder für sich selber beurteilen.

Christoph Merker