katholisches oder evangelisches Rechenheft?

Juni 2018

Es muss zu Beginn des Schuljahres 1959 gewesen sein. Beim "Fuchs" am Schlossplatz herrschte großer Andrang um den Schulschreibwarenbedarf. Und da kam es zu folgendem unvergessenen Dialog:  „… und dann bräuchte ich bitte noch ein Rechenheft!“  --  „Ein katholisches oder ein evangelisches?“ - „?????“ , ratlose Blicke. 

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Evg. Schule

„Brauchst Du eins mit kariertem oder mit unbedrucktem Rand?“  Ich weiß heute freilich nicht mehr, welches davon das richtige – also das „katholische“ war, aber die Begebenheit hat sich mir eingebrannt und mir schon damals die Absurdität  der damaligen Konfessionsschulen vor Augen geführt. 

Zur Vorgeschichte: Bekenntnisschulen sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, denn das Schulwesen in  Deutschland hatte sich ja in der Hauptsache aus den Klöstern heraus entwickelt und war daher schon von  Anfang an sehr religiös und konfessionell geprägt gewesen. Für Bayern kann man feststellen, dass verschiedene Versuche die Simultanschule einzuführen, so 1873/83 und 1919/20 nur kurzfristig von Erfolg gekrönt waren. Selbst die im dritten Reich unter Hitler 1937/38 durchgesetzte Entkonfessionalisierung der Volksschulen wurde nach 1945 wieder abgeschafft und kaum zu glauben wieder durch Konfes-sionsschulen ersetzt. Erst 1968 wurde in Bayern durch Volksentscheid die "Christliche Gemeinschaftsschule" ein- und bis heute fortgeführt.

Im Markt Berchtesgaden hatte man zu Schulzeiten meines Vaters (Jahrgang 1922)  jedenfalls  nur die Schule im nördlichen Rathausflügel gemeinsam für Katholiken und  (allerdings noch wenige) Protestanten. Es gab da nur wenige, aber riesige mehrstufige Klassen mit 50-60 Schülern und mehr. 

Ich selbst wurde 1955 in der noch ziemlich neuen (aber damals noch deutlich kleineren) rein katholischen Bacheifeldschule eingeschult. Leider waren aber meine wichtigsten Kindergartenfreunde und Spielkameraden in dieser Zeit damals evangelisch und in der Schulzeit mit ihnen Kontakt zu halten war gar nicht so einfach, denn die Lutheraner mussten weiterhin im Berchtesgadener  Rathaus zur Schule gehen.  Bei uns gab es acht Jahrgänge mit je drei Klassen (Buben, Madeln und gemischt). Bei den Lutherischen gab es nur zwei Klassen: eine Jahrgang 1 bis 4, die andere 5 - 8. Es muss heute nachgerade fast als Wunder erscheinen, dass unter diesen Voraussetzungen auch  aus diesen Schülern in den alten Räumlichkeiten doch etwas geworden ist! 

In der dritten Klasse kam es dann zum Empfang des Bußsakraments (Ohrenbeichte) und zum ersten Empfang der heiligen Kommunion und wir Schüler waren daher natürlich alle sehr fromm und gottesfürchtig.  Mein evangelischer Freund, dem ich aber dennoch weiter die Treue gehalten habe, wohnte damals aber in der Nähe der evangelischen Christuskirche und der Felsen auf dem die Kirche steht war daher unser bevorzugtes Kletterrevier. Eines Tages habe ich es aber tatsächlich gewagt, von Neugier geplagt, wenn auch mit größten Gewissensbissen, so heimlich und verstohlen es nur möglich war, die Kirchentür zu öffnen und sogar für wenige Augenblicke in diesen „Tempel der Ungläubigen“ hinein zu gehen. Ich habe diesen Sündenfall aber bei nächster Gelegenheit dann tatsächlich auch gebeichtet, weil es mein Gewissen so sehr belastet hat.

Hans Lackner