Das SUV des Mittelalters

Juli 2019

Unser historischer Markt hat viel Bauliches zu bieten, das in wissenschaftlichen Abhandlungen, Reiseführern oder anderen Schriften festgehalten ist. Zwei eigentümlichen Steinen zollt aber kaum jemand Beachtung, obwohl sie zentral liegen und man sie oft passiert.

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Dabei stellen Sie etwas Kurioses dar und ziehen durchaus eine Parallele in die heutige Zeit. Die zwei großen Quader befinden sich am Schlossplatz links vom Eingang zur Druckerei Fuchs. Ursprünglich stammen sie sicherlich aus einem der Steinbrüche, die sich im Umkreis befinden vermutlich aus dem am Kälberstein. Verwendete Gesteinssorten dieser Art findet man in den Bauten vom Markt immer wieder. Diese zwei Objekte sehen sehr unterschiedlich aus – nicht in der Form aber in der Farbgebung und Struktur. Als sie damals dorthin kamen, stand also die Funktion im Vordergrund und nicht die Ästhetik. Sie wurden dort nicht zufällig platziert. Dieser Teil der Schlossplatzbebauung war zur Zeit der Fürstpropstei das Haus des Stallmeisters. Unter den Arkaden gegenüber befanden sich die Pferdeställe. Schickte sich nun einer der Chorherren, der Kapläne oder ein anderer Geistlicher, an sich für seine Seelsorgepflichten auf den Weg zu teilweise sehr entlegenen Höfen des kleinen Kirchenstaates zu machen oder zu einem privaten Ausflug, wurde ihm ein Pferd gesattelt und vor das Haus des Stallmeisters zu einem der Quader geführt.

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Diese erhöhte Position wurde dann genutzt, um leichter in den Sattel zu kommen. Es handelt sich also um Aufstiegshilfen für Reiter. Man könnte nun – durchaus auch zum Schmunzeln anregende - Spekulationen anstellen, warum dieses Hilfsmittel nötig war.…  In die heutige Zeit versetzt würden sich diese Herrschaften wahrscheinlich mit einem Auto fortbewegen, um solche Termine wahrzunehmen. Und sie würden wohl ein SUV (sport utility vehicle) bevorzugen, denn bei diesem geländegängigen Fahrzeugtyp ist die Einstiegshilfe in Form eines erhöhten Einstiegs bereits integriert. Möchte man diese beiden Fortbewegungsmittel aber auf ihre Umweltverträglichkeit vergleichen, erübrigt sich weiterer Kommentar.

Zumindest für die vielen Gäste in unserem Berchtesgaden wäre eine kleine erklärende Hinweistafel zu diesen zwei besonderen Quadern eine sinnvolle Ergänzung, wenn nicht auch für manchen Einheimischen. Zumal es die letzten ihrer Art in unserer Region sind.

Quelle: unveröffentliches Manuskript von A.Helm im Archiv des Heimatkundevereins Berchtesgaden

Per-Aline Merz-Gödde