Vorgeschichtliche Gewässernamen in Berchtesgaden
April 2023
Die offizielle Geschichte Berchtesgadens beginnt mit dem Paschalis-Privileg von 1102, also vor gut 900 Jahren. Ein oder zwei Jahrhunderte davor wird über dem Priesterstein eine kleine Siedlung vermutet. Weiter zurück gibt es (bisher) keine Anzeichen dafür, dass der Berchtesgadener Talkessel dauerfristig besiedelt war. Doch zeigen ca. 50 Einzelfunde von der Jungsteinzeit (ab 2500 v.Chr.) bis in die frühe römische Periode (100 n.Chr.), dass das Tal zumindest zeitweise von Menschen aufgesucht worden ist. Einen weiteren Beleg zumindest für den zeitweiligen Aufenthalt von Menschen in der Vorzeit stellen einige Gewässernamen aus vorgeschichtlicher Zeit dar.
Gewässernamen aus vorgeschichtlicher, vor allem aus keltischer und vorkeltischer Zeit sind in ganz Europa nichts Ungewöhnliches. Während alte Orts- und Flurnamen von eindringenden Stämmen meist in deren Sprache umbenannt worden sind, wurden die alten Gewässernamen häufig übernommen, so dass über die Hälfte der bayerischen Flußnamen (wie Isar, Lech und Inn) von Indogermanisten in die erste Hälfte des 2. Jahrtausends v.Chr. datiert werden, also in die Bronzezeit. Auch Berchtesgaden hat einige solcher alter Namen aufzuweisen. Als erstes den Berchtesgadener „Hauptfluss“, die Ache. Noch bis in das 17. Jahrhundert wurden Bischofswieser und Berchtesgadener Ache auch als Alm-Fluss bezeichnet. Alm ist ein Wort aus der Bronzezeit für hell, weiß. Wenn man nach stärkeren Regenfällen die auffallend helle Farbe von Bischofswieser und Berchtesgadener Ache mit der einmündenden Königsseer Ache am Berchtesgadener Bahnhof vergleicht oder auch die helle Farbe der Berchtesgadener Ache bei der Einmündung in die Salzach nahe der Ortschaft Rif (dort Königssee-Ache genannt), kann man den möglichen Grund für die alte Namensgebung gut verstehen. Ob der Almbach (links von Almberg = Ettenberg) seinen Namen noch aus vorgeschichtlicher Zeit hat oder ob dieser erst später vom Alm-Fluss bzw. von Almberg abgeleitet wurde, ist nicht klar. Allerdings fällt auf, dass auch dieser Bach nach starken Regenfällen wesentlich heller ist als z.B. der Rothmannbach, der ebenfalls von Ettenberg herabfließt. Nach Meinung von Freiherr von Reitzenstein soll der Name dieses Rothmannbachs übrigens auch aus vorgeschichtlicher Zeit stammen. In der frühesten Beschreibung wird er als riutmagie bezeichnet, das „Gewässer, das beim Feld an der Furt fließt“.
Zwei weitere Bäche, deren Namen von Sprachwissenschaftlern in das 2. Jahrtausend v.Chr. datiert werden, finden sich links und rechts vom Hohen Göll. Es handelt sich um Bäche im Gebiet der um 700 n.Chr. als gauzo und ladusa bezeichneten Almen, heute Gotzenalm und Ahornalm. Im Bereich der Gotzenalm handelt es sich um Konisa, den heutigen Königsbach und im Bereich der Ahornalm Ladusa, den heutigen Larosbach. Die Bedeutung dieser Namen macht heute noch Sinn. Konisa bedeutet das klare Gewässer, Ladusa das sumpfige Gewässer. Wenn man das Quellgebiet beider Bäche aufsucht, stellt man fest, dass der Königsbach als klare Quelle zwischen Stahlhaus und Schneibsteinhaus entspringt, während das Quellgebiet des Larosbachs eine Sumpfwiese ist, aus der erst langsam ein richtiger Bach wird.
Die Lage der genannten Gewässer auf der Landkarte zeigt, woher sie ihre Namen erhalten haben dürften, nämlich aus dem Salzachtal. Von dort sind sicher die ersten Menschen in den Berchtesgadener Talkessel eingedrungen. In das Gebiet links und rechts vom Hohen Göll als Hirten, in das Tal entlang der Ache als Jäger und Fischer. Damals dürfte die Beschreibung noch gestimmt haben, die in der Gründungsgeschichte Berchtesgadens als Übertreibung gewertet wird: „eine wüste Einöde mit einem Wald voll von wilden Tieren“. Nur der Passus in der Gründungsgeschichte mit dem „Schlafgemach der Drachen“ – der hat auch damals schon nicht gestimmt.
Quellen:
Brugger, Dopsch, Kramml: Die Geschichte von Berchtesgaden, S. 88
Karl Aigner: Die Namen im Berhtesgadener Land
Julius Miedel: Ortsnamen und Besiedlung des Berchtesgadener Landes
Thomas Lindner: „Der Name Königssee“ in „Notitiae Austriacae“ Seiten 225/226, 1999
Gernot Anders: <heimatkundeverein-berchtesgaden.de> <Forschung> <Vorgeschichte bis 1102> <Königssee – ein vorkeltischer Name?>
Text und Fotos: Gernot Anders