OPERATION MINCEMEAT - oder wie 1943 die Briten Hitler reinlegten
Dezember 2023
Bekannt über die Wechsel des Kriegsgeschehens im Zweiten Weltkrieg sind die Schlacht um Stalingrad und der D-Day, die Invasion der Alliierten in der Normandie. Weniger bekannt ist die Invasion im südlichen Mittelmeer. Nach der Niederlage der deutschen Wehrmacht unter Rommel in Nordafrika waren die Alliierten bis nach Tunesien vorgedrungen. Und von dort sind Alliierte und Wehrmacht davon ausgegangen, dass von Tunesien aus wegen der kurzen Entfernung eine Invasion in Sizilien den größten Erfolg versprechen würde. Und so war es auch.
Lange war man verwundert, wie reibungslos diese Invasion vonstatten ging, bis Jahre später Näheres über die sogenannte Operation Mincemeat bekannt wurde. Heute würde man sagen: Hitler und sein Stab sind auf Fake News hereingefallen. Ein Team des britischen Geheimdienstes unter der Leitung des Offiziers Ewen Montagu hatte Hitler in einem brillanten Coup getäuscht. Ein britisches U-Boot setzte schon Monate vor der Invasion die Leiche eines angeblich mit dem Flugzeug abgestürzten britischen Kuriers an der spanischen Küste aus, mit einer Aktentasche voll gefälschter Dokumente. Aus ihnen ließ sich die bis ins Detail erfundene Identität eines Mannes rekonstruieren, den es in Wahrheit nie gegeben hatte: "Major William Martin", Captain des Marine Corps, hatte korrekt datierte Abrisse von Kinokarten aus London dabei, die Quittung für einen teuren Verlobungsring, die Mahnung seiner Bank, dass er sein Konto überzogen habe und den Brief seines Vaters, der sich mit der Wahl seiner Braut nicht einverstanden erklärte. Und vor allem einen geheimen Brief an General Sir Alexander, dem britischen Kommandeur in Nordafrika, aus dem hervorging, dass die Invasion nicht auf Sizilien, sondern auf Sardinien, Korsika und dem Peloponnes erfolgen würde.
Der Brief gelangte von Spanien nach Berlin und schließlich nach Berchtesgaden, wo ihn auf dem Obersalzberg der Führer höchstpersönlich für authentisch erklärte. (Der Bezug zum Obersalzberg ist der Grund, warum der Heimatkundeverein diesen Bericht veröffentlicht.) Hitler befahl den Abzug von Truppen, Panzern und Booten von der sizilianischen Südküste und beorderte Verstärkung nach Korsika, Sardinien und Griechenland. Sizilien war damit sturmreif. Der tote Major Martin, der im spanischen Huelva mit militärischen Ehren begraben wurde, war in Wahrheit übrigens ein obdachloser Trinker aus Wales namens Glydwr Michael, der an einer Überdosis Rattengift gestorben war. Näheres siehe Bericht auf Wikipedia.
Die Amerikaner verließen sich indessen nicht auf gute Geschichten, sondern auf gute Beziehungen. Die CIA schloss einen geheimen Deal mit Lucky Luciano, einem inhaftierten New Yorker Mafiaboss, der im Gegenzug für gewisse Privilegien im Hafen von Manhattan gewisse sizilianische Freunde dazu überredete die Seiten zu wechseln. Tatsächlich hörte man jetzt zahlreiche Berichte über italienische Soldaten, die mit weißen Fahnen aus den Häusern kamen, als die amerikanische Panzer in die Dörfer rollten, ohne dass sie einen einzigen Schuss abgaben. Ein faschistischer Bürgermeister in Sizilien nach dem anderen wurde von den Amerikanern durch Männer ersetzt, die von der Mafia „empfohlen“ worden waren. Antifaschistische politische Gefangene, hieß es. In Wahrheit hatten sie wegen Raub und Mord im Gefängnis gesessen. Ein Pakt mit dem Teufel, der noch lange seine schmutzigen Spuren hinterlassen sollte. Der deutsche Kurzwellensender schimpfte auf die feigen Italiener, denen es an Kampfmoral, Siegeswille und Fanatismus fehle. Statt mit Kanonen hätten sie die Amerikaner mit cannoli (ein gefülltes Dolce ans Sizilien) empfangen.
Gernot Anders
Quellen: Wikipedia: Operation Mincemeat
Daniel Speck: Piccola Sicilia, SS. 363-364
Fotorechte: Wikipedia