Georg von Reichenbach - das Vermessergenie
Dezember 2017
Wenn in diesem Jahr das 200-jährige Jubiläum unserer ersten Soleleitung von Berchtesgaden zur Saline nach Reichenhall gefeiert wird, so ist damit untrennbar der Name Georg von Reichenbach verbunden.
Und im gleichen Atemzug wird meist seine bekannteste Erfindung – die Wassersäulen-Hebemaschine genannt. Mit ihr gelang es dem vielseitigen Erfinder, die Sole in Ilsank sogar bis zu einer Höhe von 356 Metern „auf einen Schlag“ hinauf zu pumpen.
Doch bei aller Bewunderung für diese geniale Erfindung, die im Salzbergwerk ihren Museumsplatz gefunden hat, tritt die Vermessung der gesamten Soleleitungstrasse von 29 Kilometern Länge weit in den Hintergrund. Wer als Wanderer dem Verlauf folgt, der wird sich zwangsläufig fragen, wie es Reichenbach gelang, die Trasse durch seinerzeit unwegsamstes Gelände festzulegen. Man denke dabei nur an die Felsabstürze des Kälbersteines oberhalb des Marktes Berchtesgaden.
Reichenbach stand Anfang des 19. Jahrhunderts noch keinerlei Kartenmaterial mit exakten Höhenangaben zur Verfügung, wie wir sie heute in verschiedenen Maßstäben vorliegen haben oder über moderne Medien abrufen können. Die bayerische Landvermessung steckte damals noch förmlich in den Kinderschuhen, wenngleich Reichenbach einen beachtlichen Anteil am Fortschritt hatte.
Schon 1804 gründete er zusammen mit Joseph von Fraunhofer, dem Glasexperten und Joseph Liebherr das berühmt gewordene „mathematisch-feinmechanische Institut“. Reichenbachs bahnbrechende Erfindungen gingen in die Technik-Geschichte ein: unter anderem sein erstes Nivellierinstrument mit Präzisionslibelle zu dessen horizontaler Ausrichtung (Bild links). Wer Gelegenheit hat, sollte sich diese Geräte im Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (dem früheren Landesvermessungsamt) in der Münchner Alexandrastraße einmal im Original anschauen. Die Ausstellung ist immer donnerstags ab 13 Uhr für alle Interessierten bei freiem Eintritt zugänglich.
Allein Reichenbachs vermessungstechnischen Fähigkeiten ist es zu verdanken, dass in Erfüllung des „königlichen Auftrages zum Bau der Salzwasserleitung“ schon nach Festlegung weniger Fixpunkte die Sole über weite Strecken ihren Lauf in natürlichem Gefälle nehmen konnte. Beispielhaft sei der genau 9940 Meter lange Teilabschnitt oberhalb des Ramsauer Tales von der Söldenköpfl-Reserve bis zum Brunnhaus Schwarzbachwacht herangezogen. Mit einem speziellen Kettenmaßband ermittelte er damals die Distanz dieser kurvenreichen und unübersichtlichen Strecke. Ein ausreichendes Gefälle von exakt 49,6, Metern legte er in der Folge fest, präzise eingemessen mit seinem von ihm schon 1805 erfundenen Nivellierinstrument. Nahezu 2400 Holzdeicheln von je 4,3 Metern Länge wurden im Sommer 1817 in Rekordzeit auf diesem Abschnitt verlegt und bei jeder Deichel musste beim Verlegen ein Gefälle von sage und schreibe 21,45 Millimeter (!) genauestens eingehalten werden. Für die damalige Zeit eine höchst beachtliche, messtechnische Herausforderung, die Reichenbach genial meisterte. Reichenbach und die Vermessungstechnik – eine untrennbare Verbindung!
Manfred Angerer